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Frühsommer 1938: Nach einer langen Zeit begegnen sich die Deutschbaltin Fee und Kalju, der estnische Fischersohn in ihrem Heimatdorf wieder. Jahre zuvor hatten sie als Kinder miteinander gespielt, auch ihre beiden Brüder Gero und Toomas. Eine Grenze verlief zwischen den beiden Nationalitäten, und eine weitere Grenze baut sich auf. In den bewegten 1930ern haben sich Toomas, sowie Gero radikalisiert.
Eine Herausforderung für Fee und Kalju, die noch immer das einstige Band der Freundschaft verbindet ...
Leseprobe aus Schwalben
Kalju war vom Militärdienst zurück. Anfang
der Woche war Fee mit ihrer Mutter unten in Janeda, um im Dorfladen etwas zu
besorgen, als sie den neuen Kutter in den Hafen einlaufen sah. Am Bug stand ein
hochgewachsener junger Mann, der Wind wehte ihm die Haare aus der Stirn und er
strahlte mit der Sonne um die Wette. Er winkte ihr zur Begrüßung zu, rief ihren
Namen. Sie lief an die Steineinfassung der Mole und winkte zurück.
„Mutter, geh
doch schon einmal voran“, bat sie. „Du musst nicht auf mich warten. Ich komme
gleich nach. Ich möchte nur Kalju begrüßen.“
Gertrud Quint
wandte sich ab, zog die Mundwinkel hoch. Sie trug ihren Korb vor dem Rockschoß
und verschwand im bunt verglasten Windfang des Dorfladens. Fee hörte die kleine
Glocke schellen.
Der grün-weiß
gestrichene Kutter lief ein, der Wind spielte mit der kleinen estnischen Flagge
am Heck. Mit dem Tau in der Hand sprang Kalju auf die Mole, befestigte den
Kutter an einem Poller, ging auf Fee zu. „Was sagst du zum neuen Kutter meines
Vaters?“, fragte er. „Die vergangenen Jahre waren ertragreich genug für ihn.“
„Das freut mich
für euch“, entgegnete sie.
Diese Augen zogen
sie plötzlich in ihren Bann. Die schöne, leicht schräge Form, und diese Farbe.
Helles Blau mit einem silbernen Schimmer. Unbeholfen rang sie nach Worten und
ihr fiel nichts anderes ein als: „Dein Militärdienst ist vorbei?“
„Hmhm“, nickte
er, während er sein Zigarettenetui aus der Tasche seines gelben Ölzeugs nahm.
Er fragte sie
mit einem Blick, ob er ihr auch eine anbieten dürfe, dann schien ihm
einzufallen, dass er anstelle eines Kameraden eine junge Dame vor sich hatte.
Und für die schickte sich das Rauchen in der Öffentlichkeit nicht.
„Du hast dich
gemacht, Fee Quint“, bemerkte er.
„Und du dich
erst“, entkam ihr unbedacht, was sie empfand.
Innerhalb der
beiden Jahre hatte er die weicheren Gesichtszüge eines Heranwachsenden
abgelegt. Seine Schultern waren zwar schmal, aber sie hingen nicht mehr so
schmächtig herab wie zuvor. Auf seinen Lippen war der ernste Zug geblieben. Er
war also wieder zurück und sie hatte bemerkt, dass sie etwas empfand, was sie
nie für möglich gehalten hatte. Nicht für ihn, einen Jungen aus dem Dorf, der
früh hatte anpacken müssen, und der kaum bei den Spielen ihrer Kindheit dabei gewesen
war. Sie, die Saks, die Deutsche, tollte
damals mit den estnischen Mädchen und Jungen auf den Wiesen hinter den nah an
die Erde gebauten Holzhäusern des Dorfes herum. Sie saß mit Kalju und Toomas unter
dem Apfelbaum seines Gartens und spielte Karten. Gemeinsam jagten sie in der
Dämmerung der hellen Sommerabende Fledermäuse, bis die Eltern sie alle nach
Hause riefen. Doch immer war etwas zwischen ihr und den estnischen Kindern gelegen,
eine unsichtbare Grenze, die zwei Welten trennte, obwohl sie sich fließend in
ihrer Sprache unterhielt.
Diese Grenze verlief unterhalb der Anhöhe, die
vom Meer aufstieg, sich unter einer Lindenallee hinaufwand zu den Mauern eines
Landhauses mit dorischen Säulen. Der Familiensitz der Quints. Sie waren keine Barone,
wie die Esten die Deutschen auch nannten, lediglich Nachfahren von Ordensrittern,
die den Boden des Neulands im Osten bestellt hatten. Der Großvater hatte die
Felder und den Wald verwaltet, bis der junge estnische Staat ihn enteignet
hatte. Inzwischen bestellten estnische Bauern die Ländereien mit ihren Pflügen,
hier grasten Kühe und Ziegen, dort schnatterten die Gänse.
Der Familie waren
nur noch einige Räume in einem viel zu großen, viel zu kalten Haus geblieben.
Der Vater war Zahnarzt und hatte seine Praxis im Erdgeschoss, die Mutter ließ
den Haushalt vom Dienstmädchen Aasa führen; der Bruder war gerade zu den
Semesterferien aus Dorpat, jetzt Tartu, angereist, und Fee wartete auf ihre
Heirat, die sie einem behüteten Leben in ein anderes übertreten ließ.
Aus Kapitel 2 „Sonntag heißt Pühapäev“
© Ira Ebner 2013/2021
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