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Nachdem ich die Urversion von „Eis und Bernstein“ das erste Mal beendet hatte und bei meinen Recherchen immer tiefer die Geschichte der Baltischen Staaten und die Singende Revolution geriet und spürte, wie sehr mich dieses Thema fasziniert, setzte ich mich 1992 an meine Estland-Saga.
Mit neuen Charakteren ist es
wohl wie mit neuen Bekanntschaften, während die beste Freundin in den
Sommerferien für sechs Wochen im Urlaub ist. Zuerst fremdelt man ein wenig
miteinander, bemerkt aber schnell, dass die anderen auch ganz nett sind und
wird schließlich Freunde.
Als ich auf den Namen Lagle und
seine Bedeutung Wildgans stieß, war mir sofort klar: So muss meine
Protagonistin heißen. Lagle war ein wenig wie ich damals, und sie stand stets
im Schatten ihrer Cousine Sigrun. Wir kennen alle diese Sigruns, denen alles im
Leben gelingt, was sie sich vornehmen, alles besser wissen und die stets mit
einem mitleidigen Blick einen wohlgemeinten Rat übrig hat. Und wir lieben sie
noch mehr, wenn sie einen stattlichen, gutaussehenden Kerl an ihrer Seite
haben.
In der Gestalt von Arvo
Kortelainen, Oberst der Sowjetarmee. Ach ja, vergaß ich zu erwähnen, dass die
Saga 1971 beginnt und Arvo in der Armee der Besatzer dient, ähnlich einem
gallischen Centurio in der römischen Legion?
Arvo verliebt sich auf den
ersten Blick in Lagle – und sie sich in ihn. Das Fiasko nimmt seinen Lauf, die
beiden Cousinen verstreiten sich aufs Blut und Sigrun entpuppt sich als
Opportunistin, als ihr ein finnischer Holzhändler Avancen macht. Währenddessen
lebten Arvo und Lagle weitestgehend glücklich und zufrieden, bis 1979/80 der
Afghanistankrieg beginnt. Arvo, inzwischen zum General befördert, erhält den
Befehl über die Garnison in Faisabad und muss in den Krieg ziehen, der
offiziell natürlich keiner ist. Ich mag nicht erzählen, wie dramatisch die
erste Fassung noch geriet. Aber es war noch nicht das Ende, denn die Saga
sollte nur einen Band umfassen.
An dieser Stelle übernimmt Enn
Treimann, Doktor der Chemie und Rektor der Technischen Fachschule Tallinn. Enn
lag mir schon immer besonders am Herzen. Sein Nachname verrät, wie eng die
deutsche und die estnische Geschichte miteinander verwoben sind.
Väterlicherseits stammt Enn von einem deutschen Baron ab. Als Kind der Inseln
vor der Ostseeküste trägt Enn auch die Gene seiner Wikingervorfahren in sich,
was ihn zu einer besonderen Mischung macht. Mit Besonnenheit und dem Herz am
richtigen Fleck wurde er in der Erstfassung zum Revolutionshelden und sorgte
für ein Happy End.
Und dann kam das
Erwachsenwerden-Müssen dazwischen, aber das hatte ich bereits erwähnt. 2010 entdeckte
ich diese alte Geschichte neu und verlieh ihr ihren Titel: „Himmel, Erde,
Schnee“. Wie die estnischen Nationalfarben.
Eines kann ich mir bei der 2.
Version nicht vorwerfen: Dass ich unrealistisch und zu romantisch wäre. Arvo
war nicht mehr der hinreißende Nussknacker-Soldat in seiner Uniform. Seine
Seele bekam dunkle Flecken, Traumata. So sehr er sich bemüht, treu zu bleiben,
er lässt sich zu leicht auf Abwege bringen und ruiniert damit seine Ehe. Er
möchte weder launisch noch depressiv sein, aber er führt einen aussichtslosen
Kampf gegen sich selbst.
Entstanden ist diese Fassung,
die übrigens der diesen Herbst erscheinenden zu Grunde liegt, während der gemeinsamen
Spaziergänge und Spielplatznachmittage mit einer sehr lieben und geschätzten
Freundin. Letztendlich hat sie mich ermutigt, weiterzuschreiben.
2018/19 hatte ich beide Teile
bereits als Ebooks veröffentlicht und tatsächlich gibt es Team Arvo und Team
Enn.
Vor allem bei der weiblichen
Leserschaft kommt Enn sympathisch herüber. Obwohl er sich nicht immer gerade
mit Ruhm bekleckert und „im Laufe des Buches dunkler wird“, ist er der
Liebling. Das liegt wohl an seiner Mutter, die das Familienoberhaupt war.
An Arvo scheiden sich die
Geister. Er ist mehr bei den männlichen Lesern beliebt, wahrscheinlich, weil er
eben seine Fehler macht. Aber eine Liebeserklärung gibt es doch an ihn: Ich habe mich
regelrecht in den Charakter verliebt, und bin noch immer sprachlos, wie
authentisch die Autorin es geschafft hat, diese typische Launenhaftigkeit, die
aggressive Zerissenheit, aber auch das Charisma dieses Mannes einzufangen.
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