Klassiker für meine Leser: Soljanka

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Die beste Soljanka habe ich in Riga gegessen. Aber das Rezept des beliebten russischen Eintopfs, das ich mit Euch teile, kommt nahe dran.




Bei mir sind nie Reste eines Sonntagsessens, oder des Abendessens des Vortags lange übrig geblieben und auch im Kühlschrank finden sich verwertbare Lebensmittel. Gerade bei Fleisch und Wurst, Eiern und Milchprodukten lasse ich nichts verkommen, denn es handelt sich um unsere Mitlebewesen, beziehungsweise um deren Gaben an uns. Dafür verdienen sie unsere Wertschätzung. Mir ist dabei besonders wichtig, dass tierische Produkte nicht aus Massentierhaltung stammen, sondern regional von unseren (Bio-) Bauern erzeugt werden. Obst und Gemüse kaufe ich nach Möglichkeit ebenso regional und/oder aus Bioanbau, und saisonal. 

Heute gibt es also Soljanka. Wie in der "Himmel, Erde, Schnee"-Saga.

Zutaten:
2 Schalotten
1 Paprika
1 Dose geschälte Tomaten
1 EL Senf
1 EL Paprikamark
1 EL Sonnenblumenöl für den typisch osteuropäischen Geschmack
1 EL Vegeta-Würzmischung
Pfeffer nach Belieben

1 l Rinderbrühe (wenn es Tafelspitz, o.ä. am Vortag gab, eignet sich diese am besten)
1 Lyoner oder Fleischwurst (die kommt am ehesten der russischen Fleischwurst nahe)
150 g durchwachsener Speck
4 - 6 Malossol- oder süß-sauer eingelegte Essiggurken
Etwas Gurkenwasser
Etwas Dill
Etwas Smetana (Schmand nach russischer Art) oder Schmand

Speck, Lyoner, Schalotten, Paprika und Essiggurken schneiden. Die Schalotten in Öl glasig dünsten, Speck und Lyoner anbraten, Essiggurken, Senf und Paprikamark dazugeben und gut vermischen. Mit Rinderbrühe und Gurkenwasser aufgießen, Tomaten dazugeben, mit Pfeffer und Vegeta abschmecken, aufkochen und 1 Stunde bei mittlerer Hitze köcheln lassen.
Vor dem Servieren mit frischem gehacktem Dill und Smetana anrichten. Dazu passt Roggenbrot oder dunkles Brot.

Nachdem Ihr hoffentlich Gefallen an dem Rezept gefunden habt, gibt es als Belohnung eine Kostprobe aus dem ersten Buch. Sigrun wird von dem wohlhabenden Finnen Jarmo, der im Tallinn des Jahres 1973 geschäftlich zu tun hat, zum Essen eingeladen und zweifelt, ob sie gut genug für ihn ist ...



Sigrun führte den Löffel Soljanka zum Mund, schämte sich. Sie wagte kaum, Jarmo dabei anzublicken. Mehr als Soljanka hatte das Lokal in der Altstadt nicht anzubieten. Immer dieser Mangel – was sollen die Ausländer von uns denken?

          Als er ihr Wein nachschenkte, sah sie zu ihm auf. Sie spielte ein Lächeln vor, das er auffing.

          „Sigrun, ich möchte mit dir sprechen“, sagte er.

Der ernste Unterton in seiner Stimme irritierte sie. Ähnliche Worte hatten damals ihr Unglück eingeleitet. Sie zuckte zusammen. „Ja?“

          „Der Winter steht bevor und damit ist einstweilen auf den Baustellen nicht viel zu tun“, fuhr er fort. Die Augen rollend stellte er die Weinflasche zurück. „Ich werde nach Finnland zurückkehren. Außerdem muss ich mich um meine Geschäfte kümmern.“

          Die Sekunde gefror. Sigruns Handbewegung, mit der sie den Löffel erneut ansetzte, gerann. Ihr nächstes Unglück. Kaum hatte sie sich an Jarmo gewöhnt, die Zeit mit ihm eingefangen, verließ er sie schon wieder. Gerade hatte sie sich gewundert, was sie für ihn empfand. Freundschaft? Eine Art Liebe? Schmerzhaft spürte sie, dass sie ihn zu sehr liebgewonnen hatte, als ihr guttun würde. „Was heißt das?“

          „Mach dir keine Sorgen“, sagte er, fasste nach ihrer Hand. „Ich werde dich nach Finnland holen.“

          Die Erleichterung machte sich mit einer Wucht breit, die Sigruns Denken für einen Moment aushebelte. Allmählich nahm sie Millimeter um Millimeter auf ihrer Haut Jarmos Berührungen wahr. Unwillkürlich schüttelte sie sich, auf die Kälte folgte Wärme.

          „So einfach geht das nicht.“ Ihr Blick schweifte durch das Restaurant, zu dem älteren Ehepaar. Sie wirkten unverdächtig. Sigrun senkte vorsichtig ihre Stimme: „Ich kann nicht die nächste Fähre nach Helsinki nehmen, als stiege ich hier in den Bus. Sie lassen einen nicht ohne weiteres raus. Dieses Land hat dichte Grenzen.“ Erneut wandte sie sich um, ob niemand in der Nähe war, um sie zu belauschen und zu bespitzeln. „Du müsstest mich offiziell einladen, damit ich einen Ausreiseantrag stellen kann. Damit ich überhaupt einen Auslandsreisepass beantragen kann.“ Nachdrücklich sah sie ihn an, griff nach dem Weinglas. „So ist das bei uns.“

          Jarmo hob sein Glas, stieß mit ihr an. „Auf uns beide. Auf deine baldige Freiheit, Sigrun.“ Nach einem Schluck versprach er ihr: „Ich werde dir alles bieten, wonach du dich sehnst.“

          Sein Versprechen und die Vorstellung ihres künftigen Lebens gingen in Sigrun herunter wie der süße Weißwein. Genauso golden schimmerten sie auch hinter Glas. Noch befand sich die Welt, in der sich weitaus mehr erreichen ließ – Macht, Geld und Besitz – hinter Glas.

          Sigrun wünschte sich, stark genug zu sein, um das Warten zu ertragen.

© Ira Ebner 2017; 2020


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