Kolmas advent / Zum dritten Advent: Frieden auf Erden - Leseprobe "Unter dem roten Stern - Teil 1 der Himmel, Erde, Schnee - Saga"
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Meine Lieben, vergangenen Sonntag hatte ich erwähnt, dass in der UdSSR das Weihnachtsfest, wie wir es kennen, offiziell verboten war. Erst unter Gorbatschow wurden religiöse Feste wieder zugelassen.
In der UdSSR gab es statt eines Christbaums den sogenannten Neujahrsbaum, und es wurde entsprechend gefeiert. Ich zeige Euch eine typisch sowjetische Grußkarte (aus meiner Pinterest-Sammlung).
Djed Moros, bei uns als Väterchen Frost bekannt, durfte existieren wie bei uns der Weihnachtsmann, allerdings setzten sich die sozialistischen Errungenschaften wie der technische Vorsprung und die Raumfahrt als Motive durch. "Mir" steht auf der Rakete, was soviel bedeutet wie "Welt" oder "Frieden"
Auf den Frieden auf Erden bezieht sich der dritte Textschnipsel aus BuchEins. Am 2. Weihnachtsfeiertag 1979 marschierten sowjetische Truppen in Afghanistan ein, und in Nicaragua tobte ein Stellvertreterkrieg der beiden Supermächte ...
Jahreswende 1979/80
Das Lametta am Weihnachtsbaum
prasselte,
als Arvo mit einer brennenden Kerze die Dochte der anderen zum Leuchten
brachte. Der Glanz des Heiligen Abend mochte nicht mehr währen, er hatte für
heute seinen Dienst in der Präfektur hinter sich, aber der Blick aus Kalevs
großen Augen löste Wärme in seiner Brust aus. Er saß unter der schlanken
Fichte, umgeben von seinen neuen Spielsachen.
„Ist
heute immer noch Jõulud?“, fragte er.
Arvo
nickte, blies die Flamme aus. „Aber du weißt, es bleibt unser Geheimnis, das du
niemandem verraten darfst. Du darfst auch niemandem, außer deinen Großeltern
erzählen, dass wir den Baum schon vor Neujahr aufgestellt haben.“ Er ging zum
Fernseher, stellte den Knopf auf den finnischen Sender ein. „Und wenn, haben
wir nicht richtig auf den Kalender geguckt.“
„Warum,
Isa?“
Er
nahm Lagles aufgezogene Augenbraue wahr, die ihn mahnte, niemand würde ihm
diese Ausrede glauben. Auf ihrem Schoß lag seine Jacke, sie befeuchtete einen
Faden mit ihrer Zunge.
„Weil
das Jõuludfest sonst verschwindet, sich in einem Regen aus Silber und Gold
auflöst.“
„Du
bist ein begnadeter Geschichtenerzähler“, sagte sie, zog den Faden durch das
Nadelöhr.
„Nenn
es Talent“, sagte er, holte sich aus der Küche ein Bier.
Auf dem Glanz
der Kugeln und dem Schimmer der Stanniolsterne reflektierte sich das Flackern
des finnischen Programms. Arvo setzte sich wieder auf das Sofa, um die
Nachrichten zu sehen, zündete sich mit seinem neuen Feuerzeug eine Zigarette
an. Es war goldfarben, Facettschliffe zierten die Hülle, und es lag schwer in
der Hand.
Lagle nähte so
gut sie konnte den goldenen Knopf, der nur noch an einem Faden gehangen hatte, an
seine Jacke. Äpfel und Orangen dufteten in Lajlas Schale. Vor der Vitrine stand
die Plattenhülle von Alla Pugatschowas Podnimis
Nad Sujetoi – Stehe über deinem Stolz,
sein Geschenk an sie.
Die Nachrichten
zeigten Bilder von Lastwagen und Soldaten der Roten Armee auf afghanischen
Straßen. Der Einmarsch der sowjetischen
Truppen in Afghanistan wird von der westlichen Staatengemeinschaft scharf
verurteilt, kommentierte die Sprecherin die Bilder. Insbesondere der amerikanische Präsident Carter kritisierte die
Militärintervention, der finnische Präsident Kekkonen schloss sich dem heute
Vormittag an. Dagegen rechtfertigt Moskau den …
„Faschistische
Propaganda!“, fluchte Arvo. Er stand auf, schaltete auf das Staatsfernsehen um,
doch das zeigte bereits das Testbild.
„Lass nur“,
sagte Lagle. „Wolltest du nicht einen Film im finnischen Programm sehen?“
„Ja, wenn das
vorbei ist“, sagte Arvo. „Die verdammte Westpropaganda. Sie haben keine Ahnung,
was die Armee in Afghanistan macht. Wir sorgen für Sicherheit in der Gegend und
bringen den Afghanen Frieden. Ich weiß es. Schließlich haben mich die Genossen
aus dem Generalstab informiert.“
„So wird es dann
auch sein. Nur im Sozialismus ist Frieden möglich.“
„Nicht wahr?“ Seine
Wut auf die falsch informierten Finnen legte sich wieder. „Jakowlew hat gefragt,
ob wir ihn am Neujahrsabend ins Kingissepp-Theater
begleiten.“ Er schaltete auf die Nachrichten zurück, die regionale Meldungen
zusammenfassten.
„Ich dachte, wir
wollten bei den Kruusens feiern?“, fragte Lagle.
„Martin wird
verstehen, wenn wir später kommen“, antwortete er. „Es ist sehr wichtig, wenn
wir Jakowlews Einladung annehmen. Er hat mich beim Verteidigungsministerium
empfohlen, Militärberater in Nicaragua zu werden, und es wäre von Vorteil. Es
wäre für uns alle von Vorteil. Was meinst du?“
Sie legte seine
Jacke über die Sofakante, dabei erstarrte ihre Hand. „Nicaragua? Weißt du, wo
das liegt?“, fragte sie erschrocken.
„Ja, in
Mittelamerika, und das ist keine erfundene Geschichte“, antwortete er. „Dafür
komme ich in den diplomatischen Dienst. Hast du eine Ahnung, was das für uns
bedeutet? Wir können reisen, wir werden gut leben.“ Er beugte sich zu ihr, zog
sie an sich heran. „Meine Liebste, sag doch Ja. Du siehst etwas von der Welt
und Kalev wächst in ganz anderen Kreisen auf.“
Der Film begann.
© Ira Ebner 2018
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