Philosophisch, tiefgründig und aus dem Leben erzählt - Rezension "Die unsichtbare Inschrift" von Sebastian Domke
"Bei ihnen (seinen Eltern) erlebte er wenigstens Wertschätzung, aber die Kinder und späteren Teenager, die ihn in seiner Schulzeit begleiteten, straften ihn mit Ablehnung, weil er anders dachte und sensibler war als sie."
Sebastian Domke gibt dem Protagonisten seiner Kurzgeschichte "Die unsichtbare Inschrift", einem Friedhofsgärtner eine von schmerzvollen Erfahrungen und Verlusten geprägte Biografie mit. Schließlich verliert er mit 16 Jahren noch seine Mutter, verlässt trotz guter Noten das Gymnasium, um Friedhofsgärtner zu werden. Diese Entscheidung kann niemand aus seinem Umfeld nachvollziehen, doch er findet seine Erfüllung in der Pflege von Gräbern und der Urteilslosigkeit der Toten.
Sensible und hochintelligente Menschen müssen den Durchschnittlichen und Normalen so suspekt sein, dass deren einfache, archaische Antwort Ausschließen und Mobbing sind. Dass sie damit aber tiefe Wunden in Seelen reißen und ihren Opfern ein Gefühl der Unzulänglichkeit vermitteln, scheint ihnen allerdings nicht bewusst zu sein.
So trägt der Friedhofsgärtner seine Arbeitskleidung "wie eine Rüstung", und wenn er sie zu Hause ablegt, wird er wieder empfänglich für die Verletzungen der Welt.
Schließlich fällt dem Friedhofsgärtner ein unbeschriebener Grabstein auf. Vernachlässigte Gräber kennt er, doch ein unbearbeiteter Stein? Während er darüber sinniert, ob sich die Menschen nach seinem Tod an seinen Namen erinnern werden, spricht ihn eine Frau an. Sie kommen miteinander ins Gespräch und es stellt sich heraus, dass es sich beim Grabstein ohne Inschrift um ihren verstorbenen Vater handelt.
"Glauben Sie an Gott?", so wendet sich die Unterhaltung, bei der sich herausstellt, dass der Vater der Frau durchaus erfolgreich und beliebt zu sein schien. Doch wie es manchmal so ist, bröckelte auch diese Fassade, die Ehe zerbrach, Freunde wendeten sich von ihm ab und er wurde immer verbitterter. Dafür wurde er religiös und verfasste seinen Wunsch, namenlos begraben zu werden. Denn es sei ihm wichtiger gewesen, dass er Gott im Gedächtnis bliebe, als den Menschen.
Dieses Gespräch bewegt den Friedhofsgärtner, der sich stets nach Anerkennung seiner Mitmenschen gesehnt hat. Ob es "eine Brücke zu Gott gab, und der ihn liebte?"
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